Was bedeutet der Begriff „New Learning“ für Sie und welche Ansätze werden im deutschen Schulsystem bereits erfolgreich integriert?
In einem Land mit 16 unterschiedlichen Bildungssystemen ist eine pauschale Antwort hier natürlich sehr schwierig. Fakt ist aber, alle diese Systeme sind dringend reformbedürftig! “New Learning” ist für mich erst einmal zeitgemäßes Lernen. Ein Lernen, das dem kulturellen und gesellschaftlichen Transformationsprozess gerecht wird, in dem wir uns seit langem befinden. Anders als bisher stehen die Lernenden und deren Lernprozesse im Mittelpunkt. Die Welt, unsere Kultur, unsere Art zu arbeiten haben sich rasant verändert – Schule ist hier häufig noch nicht angekommen.
Wie empfinden Sie den gegenwärtigen Stand der Digitalisierung – als Teil von New Learning – an deutschen Schulen?
Ich denke, es ist wichtig zu verstehen, dass “New Learning” nicht zwangsläufig nur an digitalen Geräten stattfindet. Neues Lernen muss ganzheitlich gedacht werden. Das bedeutet, digitale und analoge Ressourcen stehen sich im Lernprozess gleichwertig gegenüber. Schulen ohne Wifi und mit mangelnder technischer Ausstattung (davon gibt es immer noch sehr viele) bleiben natürlich ein großes Ärgernis. Was aber auch sehr oft vergessen wird: Es reicht nicht, einen Klassensatz iPads in den Klassenraum zu werfen, wenn Lehrerinnen und Lehrer keine Zeit haben, sich intensiv mit deren Möglichkeiten zu beschäftigen und Fortbildungsangebote fehlen.
Welche Chance bietet ein smartes Lernumfeld für die Potentialentfaltung von Schüler:innen?
Richtig eingesetzt bieten digitale Ressourcen natürlich ein riesiges Potential. Sie ermöglichen sinnhaftes und vor allem auch ein viel selbstbestimmteres Lernen. Aber Vorsicht: Der Einsatz von iPads und Co. allein macht Unterricht noch lange nicht zu digitalem Unterricht. Werden Tablets ausschließlich zum Lesen von Texten verwendet und das Smartboard ausschließlich zum Schreiben (so wie zuvor Lehrbuch und Schiefertafel), geht ihr digitales Potential vollends verloren.
Sehen Sie auch Risiken oder sogar Gefahren bei der zunehmenden Implementierung von digitalen Lernmethoden in den Unterricht, gerade in Bezug auf die gegenwertige Diskussion rund um KI und ChatGPT?
Wenn sich unser Bildungssystem nicht grundlegend ändert, wird KI zwangsläufig zum Problem. Das liegt daran, dass immer noch das Produkt (und das lässt sich mit ChatGTP sehr schnell erstellen) und weniger der Lernprozess im Mittelpunkt der Bewertung steht.
KI ist Teil des bereits angesprochenen Transformationsprozesses. Diese auszublenden oder gar Angst davor zu haben, wäre grundlegend falsch. Auch hier gilt es, das Potential zu erkennen, zu nutzen und sich produktiv damit auseinanderzusetzen.