Ohne progressive Digitalisierung werden wir unsere Hidden Champions verlieren
Frank Thelen
Innovationstreiber & Serienunternehmer
Deutschlands wirtschaftlicher Erfolg basiert zu großen Teilen auf unseren mittelständischen Unternehmen. In vielen Bereichen – zum Beispiel im Maschinenbau oder bei den Automobilzulieferern – handelt es sich dabei um „Hidden Champions“, also Weltmarktführer, die nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Dass diese derzeit ohnehin schon vor genug Herausforderungen stehen, muss in Anbetracht des Wechsels der Antriebstechnologie im Automobilsektor an dieser Stelle wohl kaum betont werden.
Die Digitalisierung ist nur ein Grundstein, um die Chancen der nächsten Innovationswelle wahrzunehmen. Ich habe die einzelnen Technologien (KI, 3-D-Druck, Quantencomputer et cetera) in meinem Baukasten der Zukunft beschrieben.
Jedes Unternehmen braucht eine Zehnjahresstrategie. Jedes Unternehmen sollte sich überlegen, wie es die disruptiven Technologien nutzt, und zum Beispiel die eigene Softwareentwicklung progressiv ausbaut. Vor allem ist es wichtig anzufangen. Startet noch heute und digitalisiert eure tägliche Arbeit. Ihr werdet dadurch nicht nur effizienter, sondern geht auch gleichzeitig mit gutem Beispiel voran und zeigt jedem Einzelnen im Team, was die neue Welt kann.
Ein kleiner, aber wichtiger Schritt ist die Einführung moderner digitaler Kommunikationsprozesse. Weg von – im schlechtesten Fall sogar noch ausgedruckten – E-Mails, hin zu Collaboration Tools und cloudbasierten Office-Diensten. Diese verbessern nicht nur die Effektivität, sondern erhöhen auch Akzeptanz und Verständnis der Mitarbeiter für den digitalen Wandel.
Ein weiterer Schritt kann es sein, sich von der örtlichen Gebundenheit zu lösen. Die gewohnte Arbeitsumgebung mit den benötigten Informationen und Daten steht dank der Digitalisierung dort zur Verfügung, wo der Mitarbeiter gerade ist: ob im Büro, im Homeoffice, auf dem Tablet im Kundentermin oder mit dem Smartphone unterwegs.
Hier knüpfen dann auch Lösungen in der Unternehmensverwaltung an. So gibt es inzwischen Apps, über die die Mitarbeiter die gesamte Zeit-, Urlaubs- und Vertretungsplanung untereinander abstimmen können. Nebenbei wird die gesamte Lohnabrechnung und Buchhaltung auf dieser Grundlage gleich automatisiert miterledigt. Auch andere Bereiche der Unternehmensbuchhaltung lassen sich über cloudbasierte Dienste auslagern und bieten so eine zusätzliche Entlastung der internen Abteilungen.
Ein mittelständisches Unternehmen, das seine grundlegenden Abläufe konsequent digitalisiert und optimiert, ist allein schon dadurch besser aufgestellt, dass es damit die Basis für einen grundlegenden digitalen Wandel gelegt hat.
An dieser Stelle ist genau zu prüfen, welche Änderungen sinnvoll sind. Das kann die Automatisierung von Produktionsprozessen, der Einsatz von KI und Expertensystemen in Forschung und Entwicklung oder der Einsatz von Blockchain oder einer anderen Distributed-Ledger-Technologie zur Abstimmung, Qualitätssicherung und Abrechnung in übergreifenden Produktions- und Distributionsketten sein.
Eine Möglichkeit, hier für Know-how in den Unternehmen zu sorgen, sind Partnerschaften mit Forschungseinrichtungen, Universitäten und insbesondere auch Start-ups. Es ist eines unserer größten Probleme in Deutschland, dass wir zwar eine sehr gute Grundlagenforschung haben, deren Ergebnisse dann aber nicht in den Markt bringen. Ein besserer Austausch der KMU mit der Forschung könnte hier Abhilfe schaffen. Noch bessere Synergien würden sich durch Kooperationen von mittelständischen Unternehmen mit Start-ups ergeben: Die einen profitieren von frischen Ideen und digitalem Know-how, die anderen vom Zugang zu Märkten und gewachsenen, etablierten Strukturen.
Eine Grenze zwischen Old und New Economy zu ziehen, ist nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr muss sich der Mittelstand in Deutschland wandeln, wenn er mittelfristig bestehen will.