Als Fachanwalt für Strafrecht ist Dr. Markus Berndt, Partner bei Orth Kluth Rechtsanwälte, renommierter Berater in der Analyse und beim Vermeiden von Rechtsrisiken. Durch seine langjährige Erfahrung in der Beratung globaler Konzerne und vieler Mittelständler in Compliance-Angelegenheiten weiß er, wie wichtig ein sorgfältig konzipierter Prozess ist. Im Interview erklärt Berndt, welche Risiken im Unternehmen gesenkt oder gar verhindert werden können.
Dr. Markus Berndt
Partner bei Orth Kluth Rechtsanwälte, Düsseldorf und Berlin
Die aktuelle Corona-Ausnahmesituation sorgt für eine schnell wechselnde Rechtslage, mit Auswirkungen für die Gesellschaft und für die Wirtschaft. Welche besonderen Risiken im Bereich Compliance entstehen hier?
Aufsicht und Kontrolle sind in dieser Zeit deutlich schwerer zu realisieren. Das Hauptrisiko entsteht vor allem durch die wegfallende persönliche Kommunikation, weil die Unternehmensverwaltung längerfristig im Homeoffice arbeitet. Nicht alle Unternehmen sind heute schon hinreichend digital strukturiert, dort gibt es noch viel Papier. Wer dieses rechtskonform prüfen und kontrollieren will, muss vor Ort sein. Wenn im internen Compliance-Prozess anlasslos oder wegen eines Verdachts geprüft werden soll, ob alle Regeln und Vorschriften eingehalten werden, gehört ein persönlicher Austausch mit Mitarbeitern und Wissensträgern unbedingt dazu. Grundsätzlich erschwerend sind in der aktuellen Corona-Situation auch die beinahe wöchentlich wechselnden Rechtslagen, die sich noch dazu je nach Bundesland unterscheiden. Auch in einer solch komplizierten Lage muss die Unternehmensleitung liefern: Sie muss sicherstellen, dass Mitarbeiter stets informiert sind.
Welchen Stellenwert haben die Compliance-Risiken im Vergleich zu anderen Unternehmensrisiken, wie denen des Marktes?
Seit einigen Jahren wird Compliance mehr und mehr die Bedeutung zuteil, die sie verdient. Und das ist gut so. Auch bei den KMU ist das Bewusstsein in den letzten Jahren nach meinen Erfahrungen sehr stark gestiegen. Hier und da sehe ich allerdings Nachholbedarf: Compliance ist viel mehr als Kartell- und Korruptionsprävention, worauf manche sie reduzieren. Und das kann gefährlich werden. Denn auch Rechtsfragen rund um Außenwirtschaft und Export, Daten- oder Umweltschutz und andere gehören dazu.
Vor allem Unternehmen, die auf jeden Cent achtgeben müssen, versuchen, möglichst Fixkosten zu sparen. Wie wirkt sich eine präventive Compliance-Beratung betriebswirtschaftlich aus?
Unternehmer sollten Compliance als betriebswirtschaftliche Chance sehen. Die Geschäftsleitung, egal ob Vorstand oder Geschäftsführung, muss die Risiken sowieso regelmäßig analysieren. Sie weiß am besten, wo diese liegen, und kann schon früh mögliche Verstöße vermeiden. Oft lernen sie, wie ich häufiger erlebt habe, das eigene Unternehmen dabei noch einmal deutlich besser kennen. Das wirkt sich dann auch betriebswirtschaftlich positiv aus. In diesem Schritt braucht es übrigens meist noch keine intensive Beratung. Aber: Es ist keine gute Idee, Compliance für Sparmaßnahmen heranzuziehen.
Aus unterschiedlichsten Gründen gibt es allerdings noch immer Unternehmen, die dem Bereich Compliance keine Aufmerksamkeit schenken. Wie nähert sich eine Geschäftsführung dem Thema effektiv?
Ich erwarte, dass schon das geplante Unternehmensstrafrecht Alarm auslösen wird. Compliance-Verstöße werden danach viel härter sanktioniert als heute. Ein angemessenes und funktionierendes Compliance-Management-System, kurz CMS, ist also ein Muss auch für kleine und mittlere Unternehmen. Hier kann es sinnvoll sein, beim Aufbau eine spezialisierte Kanzlei hinzuzuziehen. So können Geschäftsführungen rechtssicher festlegen, mit welchen Instrumenten Compliance-Verstößen vorgebeugt werden kann und soll.