Interview mit Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts e. V.
Dr. Christine Bortenlänger
Geschäftsführende Vorständin Deutsches Aktieninstitut e. V.
Frau Dr. Bortenlänger, laut den aktuellen Aktionärszahlen des Deutschen Aktieninstituts gab es schon im letzten Jahr trotz des Börsenhochs einen kleinen Rücksetzer bei der Zahl der Aktionäre. Werden wir in diesem Jahr angesichts der heftigen Kurseinbrüche einen Dämpfer für die Aktienkultur sehen?
Für eine Bewertung ist es im ersten Halbjahr noch zu früh. Fakt ist aber, dass die Wirtschaft vor großen Herausforderungen steht. Es gibt unter anderem Rohstoffengpässe wegen angespannter Lieferketten und manches Geschäft fällt ganz weg. Das drückt die Stimmung an der Börse verständlicherweise. Erste Statistiken der Banken zeigen aber, dass die Anleger besonnen reagieren. Es scheint inzwischen klar zu sein, dass Aktienanlage ein Marathon ist und man in Schwächephasen nicht aufgeben und alles hinwerfen sollte.
Hat der Krieg in der Ukraine das aktuelle Umfeld für Aktien geändert?
Selbstverständlich. Aktien sind Anteile an Unternehmen. Geopolitische Erschütterungen wirken sich immer auch auf die Wirtschaft aus. Das bedeutet aber nicht, dass die Aktie als Anlageform unattraktiv geworden ist. Dennoch sollte man sein Depot auf die neue Ausgangslage hin überprüfen. Es sind vielleicht andere Branchen als bisher, die langfristig Gewinne versprechen. Unternehmen mit überzeugenden Produkten und starker Marktstellung werden auch künftig Lösungen für die veränderten Herausforderungen finden.
Lohnt es sich, Aktien zu kaufen, wenn die Börse fällt, oder greifen Anleger womöglich in ein fallendes Messer?
Erfahrungsgemäß lohnt es sich, regelmäßig und breit gestreut anzulegen, also auch in Phasen von schwachen Börsen weiter zu investieren. Natürlich gilt das nicht für den Notgroschen, den man vielleicht kurzfristig braucht. Und es ist wichtig, dass man sich mit seiner Geldanlage wohlfühlt und auch bei fallenden Kursen gut schlafen kann.
Können Sie das konkreter machen?
Nehmen wir unser DAX-Rendite-Dreieck für die monatliche Geldanlage: Wer seit Ende 2000 monatlich 100 Euro in einen Aktiensparplan angelegt hat, konnte sich Ende 2021 über 60.000 Euro freuen. Die eingezahlten 25.200 Euro haben in dieser Zeit trotz verschiedener Krisen rund 35.000 Euro erwirtschaftet. Ein genauer Blick auf das Rendite-Dreieck zeigt uns, dass bei einer Spardauer von 20 Jahren in der Vergangenheit stets eine Durchschnittsrendite von fast neun Prozent pro Jahr möglich war. Das zeigt, wie sinnvoll breit gestreutes, langfristiges und regelmäßiges Aktiensparen ist. Entscheidend beim Investieren ist nicht der richtige Einstiegszeitpunkt, sondern die Dauer der Aktienanlage.
Reichen die Renditen auf dem Aktienmarkt, um nicht nur die hohe Inflation auszugleichen, sondern auch Vermögen aufzubauen?
Auf jeden Fall. Die Statistiken zeigen, dass man mit einer langfristigen Aktienanlage Renditen über der Inflationsrate erzielt. Das gilt nicht nur für den DAX, sondern weltweit. Wir haben das in einer Studie berechnet: In einem Zeitraum von 120 Jahren Wirtschaftsgeschichte haben Aktien nach Abzug der Inflation 5,7 Prozent pro Jahr erwirtschaftet. Ein attraktiver Ertrag – und das trotz Phasen von hoher Inflation, niedrigem Wirtschaftswachstum und auch steigenden Zinsen.
Wie sollten sich bereits investierte Anleger und Neueinsteiger jetzt verhalten?
Börsen-Neueinsteiger können sich über günstigere Einstiegskurse freuen und überlegen, welcher Sparplan oder welche Anlagestrategie für ihre eigene Situation sinnvoll ist. Für alle anderen gilt: Ruhe bewahren, das Investment auf langfristig schwächelnde Branchen überprüfen, Sparpläne weiterlaufen und den Durchschnittskosteneffekt für sich arbeiten lassen.
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