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CORPORATE HEALTH

„Ich würde mir wünschen, dass Unternehmen auch Angebote für psychische Beratung haben.“

Leon Windscheid. Foto: Daniel Witte

Als Autor, Psychologe und Unternehmer gibt Dr. Leon Windscheid in seinen Büchern, Podcasts, Vorträgen und Onlineseminaren spannende Einblicke in die menschliche Psyche. Dabei erklärt er die Themen gut verständlich, nachvollziehbar und gibt Impulse, die jeder für sich nutzen kann, um sich in den verschiedensten Situationen richtig zu verhalten. Auch bei Vorträgen an Universitäten und in Unternehmen liefert er Antworten zu auftretenden Problemen wie Überforderung, Stress und Depression. Ihm gelingt es dabei Fakten der Hirnforschung und der Psychologie unterhaltsam zu vermitteln und diese in hilfreiche Ideen und Anregungen für die zukünftige mentale Gesundheit umzuwandeln.

Dr. Leon Windscheid

Psychologe, Unternehmer und Autor

Mit welchen Herausforderungen hat die heutige Leistungsgesellschaft zu kämpfen?

Vor allem damit, dass wir keine Schwäche zeigen dürfen. Das ist ein unglaublicher Druck. Besonders Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die zufrieden mit ihrem Job sind, immer Leistung bringen und sich auch selbst verwirklichen können, haben eine unglaubliche Anspruchshaltung sich selbst gegenüber. Weil äußerlich alles gut ist, erwarten sie, dass es ihnen auch immer gut geht. Das ist aber nicht der menschlichen Natur entsprechend. Es gehört auch dazu, dass es Momente gibt, in denen es uns nicht gut geht – ohne dass es äußere Einflüsse haben muss. Es gibt ja das Sprichwort „Ich bin mit dem falschen Fuß aufgestanden“, und das beschreibt es sehr gut. Doch dem ist nicht so – und das ist auch völlig normal. Diese Phase kann auch mal länger andauern. Doch akzeptiert wird das in den meisten Fällen weder vom Betroffenen noch vom Arbeitgeber – 100 Prozent positiv sowie voller Tatendrang, und das jeden Tag, ist meistens die Devise. Das ist eine toxische Positivität, die fatale Folgen haben kann.

Wie wirkt man dieser entgegen?

Wir müssen aufhören, uns für die Metaebene zu verurteilen. Heißt: Gefühle zu den Gefühlen zu bekommen. Also sich schlecht zu fühlen, weil man sich schlecht fühlt. Ein ganz zentraler Aspekt in der Arbeitswelt ist zu verstehen, dass Gefühlsschwankungen, die wir haben, dazugehören und dass man sie nicht wegdrücken darf. Das kann man an Burn-out gut festmachen. Immer mehr Menschen geben sich die Diagnose selbst. Das ist auch wieder der Heldenmythos: Ich habe gebrannt, also darf ich jetzt auch ausgebrannt sein. Hinter dem Burn-out-Label steckt in Wirklichkeit ganz oft eine Depression, und das ist die beste Beschreibung für die Metaebene, also die zweite Ebene. Depressiv sein wollen wir nicht. Das lehnen wir über unsere zweite Ebene, die Gedankenebene, einfach ab. Also sind wir lieber ausgebrannt. Und genau da müssen wir ran. Das gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich sorgen, dass eigentlich alles gut sein müsste. Und wenn, dann habe ich Burn-out, aber keine Depression. Das gilt aber auch für Arbeitgeber, die oft gegenüber psychischen Problemen Vorbehalte haben. 

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Wie kann das Umdenken funktionieren?

Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen müssen sich einfach die Zahlen anschauen: 28 Prozent der Deutschen erfüllen mindestens einmal im Jahr die Kriterien einer psychischen Störung. Das sind rund 18 Millionen Betroffene. Und dann haben wir in der Businesswelt immer noch Leute, die das nicht auf dem Radar haben und irritiert sind, wenn jemand depressiv wird, Suchtprobleme hat oder sich mit Panikattacken
zur Arbeit schleppt. Das muss offen thematisiert werden und endlich entstigmatisiert werden. Gerade in einer Gesellschaft, wo es immer nur um Leistung und Positivität geht. Denn die Wahrheit sieht einfach anders aus. 

Wie sollten Arbeitgeber mit diesen Zahlen umgehen?

Ich würde mir wünschen, dass neben den ganzen Angeboten, die immer mehr Firmen machen – wie Yoga, Sport, Ernährung, Kinderbetreuung –, es auch welche für die Psyche gibt. Dass jemand, der merkt, ihm geht es nicht gut, in beispielsweise einer Beratung offen darüber sprechen kann, ohne dafür verurteilt oder aussortiert zu werden. Psychische Probleme müssen zur Normalität gehören, denn das sind sie nun mal. Und erst wenn das akzeptiert wird, sind Menschen auch dauerhaft in der Lage, leistungsfähig zu bleiben. 

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