Ludo Theunissen
Präsident Institut für Kreditmanagement (Belgien) und Dozent im BvCM e. V.
Die Rational AG – weltweiter Lieferant hochwertiger Küchengeräte an professionelle Anwender – verfolgt im Credit Management einen prozessorientierten Ansatz. Das heißt, dass beispielsweise wichtige Funktionen des Credit Managements ausgelagert sind. So liegt die Bonitätsprüfung ganz in Händen der beiden beauftrag- ten Kreditversicherer, während das Mahnwesen beim Vertriebsinnendienst angesiedelt ist. Damit wiederum sind die Funktionen Credit Management und Vertrieb automatisch miteinander verzahnt – ein Umstand, der vor wenigen Jahren in deutschen Unternehmen noch fast undenkbar war.
Gerade in der gegenwärtigen Corona-Krise ist die interne Zusammenarbeit jedoch von enormer Bedeutung. Bei Rational beispielsweise gilt derzeit das „50:50“-Prinzip. „Das bedeutet, dass wir Kunden unterstützen UND eigene
Risiken begrenzen“, berichtete Credit Managerin Carolin Teicht im Rahmen des jüngsten Working- Capital-Management- Symposiums. Um die interne Akzeptanz für diesen Ansatz zu stärken, wurde sogar ein eigenes Logo entwickelt. Mit Erfolg: Vertrieb, Einkauf und Credit Management ziehen an einem Strang – um für das Unternehmen sichere Einnahmen zu generieren.
Die Zeiten, in denen sich Vertrieb und Credit Management noch eher als Gegner sahen, sollten definitiv vorbei sein.
Dieses Beispiel bestätigt aus Sicht von Professor Ludo Theunissen einen Trend: „Die Zeiten, in denen sich Vertrieb und Credit Management noch eher als Gegner sahen, sollten definitiv vorbei sein. Heute ist es für Unternehmen essenziell, dass diese Bereiche zusammenarbeiten.“ Das ist ein erstes Zwischenfazit einer Studie von Professor Deva Rangarajan von der Ball State University in Indiana, die Theunissen und weitere europäische Wirtschaftswissenschaftler derzeit ergänzen. „Zusammen beleuchten wir das Thema Kundenbeziehung aus Sicht des Sales Manager und schlagen die Brücke zum Credit Management“, erklärt Theunissen. Für die Studie wurden Sales Manager, Wissenschaftler und Credit Manager in Europa und den USA befragt. Ein Ergebnis: Jede Kundenbeziehung muss von Grund auf neu bewertet werden. „Gute Kunden wurden durch die Krise womöglich zu gefährdeten Unternehmen, während bisher kleinere Auftraggeber zu den Gewinnern zählen und plötzlich viel größere Potenziale bieten als zuvor“, so Theunissen. Um diese Informationen zu erhalten, müssen sich Vertrieb und Credit Management eng austauschen – schließlich pflegen beide engen Kontakt zum Kunden, können diesen aber derzeit nicht persönlich besuchen. Deshalb muss jede vorhandene Information geteilt werden.
Zudem sollten Unternehmen grundsätzlich ihre „Value Proposition“ überprüfen. Biete ich dem Kunden noch das, was er braucht? Wie ergeht es dem Wettbewerb? Versucht ein Konkurrent, sich mit Billigpreisen durch die Krise zu retten? Sind eventuell ganz neue Wettbewerber auf den Markt gespült worden? Auch für die permanente Marktbeobachtung sind die Informationen von beiden Seiten – Vertrieb und Credit Management – erforderlich. Auf diese Weise lassen sich gleichzeitig Risiken minimieren und Chancen identifizieren. Die Rational AG macht es vor.