„Es gibt aktuell viele Risiken, aber der Markt blickt nach vorne“, sagt Karen Armenakyan, Leiter des Bereichs Vermögensverwaltung und Wertpapiere bei der BW‑Bank. Über Strategien, auch in schwierigen Zeiten Chancen zu nutzen, spricht er im Interview.
Karen Armenakyan leitet den Bereich Vermögensverwaltung und Wertpapiere bei der BW‑Bank. Er verantwortet dabei auch das Wertpapier-Produktmanagement, Wertpapier-Beratungsprozesse sowie die Weiterentwicklung von Beratungstools. |
Herr Armenakyan – der Ukraine-Krieg, drohende Rezession, extremer Inflationsschub, massiver Schwenk in der Notenbankpolitik … das Jahr 2022 hat uns einen ganzen Schwarm von „Schwarzen Schwänen“ gebracht. Welche dieser Krisen wirkt aus Ihrer Sicht besonders stark ins neue Jahr?
Die Krisen sind nicht überwunden und werden sich auch auf das neue Jahr auswirken. Besonders der weitere Verlauf des Krieges in der Ukraine ist nach wie vor unkalkulierbar. Man darf die Hoffnung nicht aufgeben, dass es hier eine politische Lösung geben kann, vielleicht zunächst in Form eines Waffenstillstands, um das Töten zu stoppen. Verhandlungen sind und bleiben wichtig.
Auch die wirtschaftliche Verlangsamung, die sich bereits abzeichnet, wird 2023 Thema sein. Vielleicht hat der eine oder andere den inflationsbedingten Kaufkraftverlust 2022 noch nicht so stark gespürt, weil viele in den letzten Jahren Rücklagen gebildet haben, auch durch großzügig verteilte Zuschüsse. Die Reserven schwinden jedoch und es ist in Anbetracht steigender Energiepreise und Teuerungen bei Lebensmitteln für viele zunehmend schwierig, etwas zurückzulegen. Das wird sich schon bei den ersten, vorraussichtlich hohen Nachzahlungsforderungen der Versorger Anfang 2023 zeigen. Wir rechnen mit einer stärkeren Zurückhaltung auf Seiten der Konsumenten.
Positiv ist, dass die Inflationsdynamik nachlassen wird. Man kann es schon jetzt an den Zapfsäulen sehen – die Benzinpreise sind bereits unter Vorkriegsniveau.
Noch ist die Inflationsrate in den USA aber auch in Deutschland sehr hoch. Müssen wir uns an höhere Inflationsraten gewöhnen oder werden wir in den nächsten Jahren wieder Inflationsraten unter zwei Prozent sehen?
Die Inflationsrate wird sinken. Ich rechne mittelfristig mit einem Niveau von vier oder fünf Prozent. Aber zwei Prozent werden es so schnell nicht mehr. Deutschland ist nach wie vor ein Industrieland, das in den letzten Jahren stark von der günstigen Energie aus Russland abhängig war. Man hat es zwar geschafft, in kürzester Zeit neue Partner zu finden, aber mit z. T. deutlich längeren und teureren Verträgen. In den USA ist die Situation entspannter, dort wird die benötigte Energie zum großen Teil vor Ort produziert, das gilt für Europa bislang nicht.
Was sich zudem auf Produktionskosten auswirken wird, sind Inflationsprämien und Mindestlohnerhöhungen, die gezahlt werden, um Arbeitnehmer zu entlasten. Auf lange Sicht wird sich dies auf die Teuerungsrate niederschlagen, weil es anders nicht zu finanzieren ist. Ein weiterer Punkt ist das Thema Transformation. Wenn CO2 reduziert und auf erneuerbare Energien gesetzt werden soll, muss in neue Technologien investiert werden, zudem braucht es Mikrochips, Batterien, Rohstoffe – die Liste ist lang.
Was bedeutet das alles für die Realverzinsung? Müssen sich Renten-Anleger damit abfinden, dass es die nächsten Jahre kaum möglich sein wird, sein Vermögen real erhalten zu können?
Viele freuen sich darüber, dass die Zeit der Negativzinsen vorüber ist, aber durch die Inflation, die höher ist als die Zinsen, bleibt noch immer ein realer Verlust. Wer das nicht möchte, kommt an Aktien nicht vorbei und muss dann höhere Risiken in Kauf nehmen. Mit Staatsanleihen wiederum haben viele in nur wenigen Wochen zehn Prozent verloren, das hätte sich jemand, der nicht so finanzaffin ist, noch vor nicht allzu langer Zeit kaum vorstellen können.
Viele Volkswirte rechnen 2023 mit einer Rezession in Europa. Bedeutet das auch fallende Aktienmärkte?
Wenn sich eine Rezession abzeichnet, reagieren Aktienmärkte in der Regel schnell. Sicher ist, dass auch 2023 nicht einfach werden wird. Es gibt Risiken, damit müssen wir leben. Auch können durch Probleme in China neue „Schwarze Schwäne“ entstehen. Wichtig ist, dass man gerade mit Blick auf China in Bezug auf Sanktionen und die Industriepolitik keine unbedachten Schritte geht. Das gilt für die Beziehungen von Europa zu China, aber auch umgekehrt. Trotz alledem gehe ich davon aus, dass es im Jahr 2023 auch Erfolgsphasen geben wird.
Welche Branchen könnten aus Ihrer Sicht im nächsten Jahr besonders interessant sein; gerade in diesem wirtschaftlich schwierigen Umfeld?
Bei Branchen, die aktuell profitabel sind, sehen wir eine gewisse Flexibilität – sie haben ihre Geschäftsmodelle schnell an die jeweiligen Bedingungen angepasst. Wir halten die Sektoren Pharma, Technologie (genauer: hochprofitable Unternehmen) und Versicherungen für besonders interessant. Gründe liegen hier in der Preissetzungsmacht und in den Teils strukturellen Langfristtrends. Produzierende Gewerbe haben es schwerer, z. B. im Bereich E-Mobilität, für den Halbleiter und Batterien nötig sind, beides derzeit knappe Ressourcen. In der Landwirtschaft oder insgesamt im Bereich Lebensmittelproduktion belasten teure Energiekosten die Hersteller sehr. Auch der Bereich Biotechnologie hat zu kämpfen, weil Forschungsgelder fehlen. Und bei Immobilien beobachten wir, dass ausländische Investoren sich zurückziehen. Aufgrund der Zinssteigerungen können sich weniger Menschen Eigentum leisten, zudem ist nicht klar, wie sich wachsende Nebenkosten auf Vermietungen auswirken werden.
Nachdem man 2022 vor vielen Herausforderungen stand – was kann man tun, um sich gegen die „Schwarzen Schwäne“ abzusichern, die 2023 auftauchen könnten?
Die beste Strategie ist, ein globaleres Mindset zu entwickeln. Man sollte genau hinsehen, wo es weltweit Chancen gibt und welche Unternehmen sich als resilient erwiesen haben. Dazu sollte man auch seine Anlagestrategie globaler ausrichten. Es ist gut, rational zu agieren, mit möglichst wenig Emotionen. Entscheidungen sollten auf fundamentalen Daten und Fakten basieren – Twitter ist dabei selten ein guter Ratgeber.
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