Jessica Schwarzer
Finanzjournalistin und Buchautorin
Die deutsche Aktienkultur ist mir ein Herzensangelegenheit. Seit Jahren trommele ich für die Aktie als Anlageklasse – als Finanzjournalistin, als Buchautorin und erst recht als leidenschaftliche Börsianerin. Es hat mich richtig gefreut, geradezu begeistert, dass so viele Deutsche in jüngster Vergangenheit zu Aktionären geworden sind. Und ich hoffe, es werden noch viele, viele mehr. Denn der Druck wächst. Der Anlagenotstand wird größer.
Seit einigen Jahren schon leben wir in einer Welt von homöopathisch niedrigen Zinsen. Mittlerweile sind es sogar Null- und Minuszinsen. Immer mehr Sparer zahlen Strafzinsen. Die Banken nennen das Verwahrentgeld, aber am Ende sind es Minus- und damit Strafzinsen. Nun kommt die extrem stark gestiegene Inflation dazu.
Warum das ein Problem für Sparer ist? Weil der Realzins damit noch stärker ins Minus rutscht. Der Realzins wird berechnet als Differenz zwischen dem Nominalzins, also der erwarteten Rendite einer Geldanlage und der Inflation. Wer sehr sicher angelegt oder das Geld nur auf Sparkonten rumliegen lässt, leidet schon länger unter einem negativen Realzins. Das Ersparte verliert an Kaufkraft – Monat für Monat, Jahr für Jahr. Mit der steigenden Inflation wird das Dilemma aber immer größer. Ziel muss es sein, eine Rendite oberhalb der Inflation zu erzielen – und damit einen positiven Realzins. Deshalb muss ein Teil des Ersparten etwas riskanter angelegt werden. Risiko bedeutet in diesem Fall aber Chance.
Aktien sind die Lösung. Sie bringen langfristig bei breiter Streuung Renditen von durchschnittlich sechs bis acht Prozent. Und dafür müssen sie gar nicht waghalsig anlegen. Vermögensaufbau kann ganz entspannt funktionieren. Ganz wichtig ist es dabei, wirklich langfristig zu investieren. Zehn oder besser zwölf Jahre und mehr sollten es schon sein. Ein Blick auf das Renditedreieck für deutsche Aktien des Deutschen Aktieninstituts oder auf das Pendant für den Weltaktienindex MSCI World, das Christian W. Röhl alias Dividendenadel bietet, zeigt warum: Je länger wir investieren, desto geringer das Risiko. Irgendwann schwindet es komplett dahin.
Wichtig ist dabei aber eben dann auch die breite Risikostreuung. Es gilt über viele Einzeltitel zu streuen, also auf Aktien von vielen Unternehmen, aus vielen Branchen, viele Ländern und Regionen zu setzen. Es sollten eher Hunderte oder Tausende sein als Dutzende. Am einfachsten und entspanntesten geht das mit börsengehandelten Indexfonds (ETFs) oder aktiv gemanagten Investmentfonds. Wer in einen ETF auf den MSCI World investiert, setzt auf 1600 Aktien aus 23 Ländern. Die Schieflage einzelner Unternehmen oder sogar Branchen fällt da kaum ins Gewicht. Es funktioniert aber auch mit weniger Titeln: Auch wenn ich kein großer Fan des Dax bin – mit früher 30, jetzt 40 Aktien ein Index mit geringer Streuung, zudem export- und industrielastig -, hier ein Beispiel: Als im Sommer 2020 Wirecard pleite ging, war das im Chart kaum eine Delle. Das ist Risikostreuung.
Natürlich schwanken Aktienkurse, mitunter sogar etwas heftiger. Korrekturen von fünf, zehn oder gar 20 Prozent sind gar nicht so selten. Auch Crashs gehören an der Börse dazu. Der Corona-Crash war schon der dritte in diesem Jahrhundert, noch dazu der heftigste und schnellste. Trotz des brutalen Einbruchs – allein der Dax verlor binnen vier Wochen fast 40 Prozent – war es kein schlechtes Börsenjahr. Im Gegenteil. Die meisten großen Indizes schlossen das Jahr sogar im Plus ab. Auch 2021 ist ein gutes Jahr, auch wenn es sich zwischenzeitlich anders angefühlt hat. Langfristig orientierte Anleger sollte sich davon nicht verrückt machen lassen. Turbulenzen können sie einfach aussitzen.
Wer also den Niedrigzinsen und der Inflation ein Schnippchen schlagen will und einen langen Anlagehorizont hat, sollte auf Aktienfonds und -ETFs setzen. Die Realrendite sollte langfristig deutlich positiv sein. Und nur so funktioniert entspannter Vermögensaufbau.
Tipp der Redaktion!
Jessica Schwarzer ist Börsenexpertin, Finanzjournalistin und Buchautorin. Zuletzt ist ihr sechstes Buch „Wie wirklich jeder entspannt reich werden kann. 15 Ausreden, die nicht mehr zählen.“ im Finanzbuchverlag erschienen.