Prof. Dr. Thomas Beyerle
Head of Group Research bei Catella
Mehr als nur Gefühle?
Die Mehrzahl der Anleger unterlag in den letzten Quartalen einem Wechselbad der Gefühle: Banken empfehlen primär Aktien bzw. ETFs, verweisen letztlich auf eine Immobilieninvestition („Kauf einer Eigentumswohnung zur Kapitalanlage“) oder Anteile an offenen Immobilienfonds. Gleichzeitig steigen seit dem Beginn der Covid-Pandemie im April 2020 nicht nur die Aktienkurse, sondern auch die Immobilienpreise weiter in nie geahnte Höhen – Prognose: weiterer Anstieg absehbar. Hinzu kommt das sog. Verwahrgeld („Negativzins“) für das Ersparte auf dem Giro- oder Geldmarktkonto, was bei rationaler Betrachtung für Anleger nur eine Lösung zulässt: Liquidität runter, rein in Sachwerte. Nur welche? Der Mix machts? Gerade diese – so noch nie da gewesene – Gemengelage hat den Immobilienmärkten in den letzten Jahren einen deutlichen Rückenwind beschert. Die Nachfrage, vor allem nach urbanem Wohn- und Büroraum, ist sehr hoch, das Finanzierungsumfeld war schon einmal schlechter. Hinzu gesellt sich das – gerade in deutschen Anlegerkreisen – gefürchtete I-Wort: Inflation.
Mythos Betongold?
Immobilien gelten, spätestens seit 1923 („Hyperinflation“), als der Inflationshedge schlechthin. Doch seit 2015, sprich dem Fluten der Kapitalmärkte mit „billigem Notenbankgeld“, dem Beginn der Null-Zins-Entscheidung der EZB und einer nie da gewesenen pandemischen globalen Situation, bedarf es hier einer Neuorientierung, zumal diese Gemengelage in keinem ökonomischen Lehrbuch in dieser Ausprägung bisher vorkommt. Ergebnis: Ja, Immobilien bilden weiterhin einen sehr guten Inflationsschutz, aber wie im Leben nicht ultimativ und automatisch. Immobilien leisten grundsätzlich einen positiven realen Ertrag, die Inflation ist aber nicht der dominante Treiber der Wertentwicklung, Gewerk, Grund und Boden sind hier die entscheidenden Parameter. Genauso wichtig sind der Zeitpunkt der Investition, also des Ankaufes der Immobilie im Zyklus, und das generelle Wirtschafts-
wachstum während der Halteperiode. Wie immer liefern nur gut gemanagte Büroimmobilien oder ordentlich vermietete Eigentumswohnungen einen vollen Inflationsschutz. Es gelten also primär die wesentlichen Parameter erfolgreicher Immobilien, nur blind im Jahr 2022 darauf zu vertrauen, dass Immobilien inflationsunabhängig sind, trügt. Sie schützen vor allem vor Inflation, wenn erstens der Mietvertrag indexiert ist, was bei Büroimmobilien die Regel ist, bei Wohnimmobilien eher seltener vorkommt, und die Inflation als Ausgleich zeitnah als Mieterhöhung weitergegeben werden kann. Und zweitens, und das ist besonders wichtig: wenn die Marktmiete mindestens mit der Inflation Schritt hält.
Jetzt noch Immobilen kaufen zur Anlage?
Für die Mehrzahl, die das eingesetzte Kapital „sicher und langfristig“ anlegen möchte, sprechen direkte bzw. indirekte Anlageformen in Immobilien eine deutliche Sprache. Wenngleich die Renditen für eine Eigentumswohnung / Neubau geringer sind als noch vor drei Jahren, da der Zyklus eben weit fortgeschritten ist. Vor dem Hintergrund der verschärften energetischen Verpflichtungen in den kommenden Jahren im Bestandsbereich sollte tendenziell eher ein Neubau im Investmentfokus stehen – die Weitergabe der Sanierungskosten wird nicht unmittelbar vom Mieter getragen werden. Was heißt das aber unter Renditegesichtspunkten? Im Schnitt reden wir hier von einem Niveau von 2,5 Prozent. Angst vor einer immer wieder angekündigten Zinserhöhung? Aktuell sind hier keine Vorzeichen zu vernehmen. Betongold sollte deshalb auch im Jahr 2022 ganz oben stehen auf der Investitionsliste.