Wie sich die digitale Evolution in der Speditionsbranche aktuell entwickelt, erklärt Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des DSLV Bundesverband Spedition und Logistik e. V.
Digitalisierung ist kein Prozess, der einmal initiiert wird und einige Zeit später erfolgreich abgeschlossen ist. Allein die Fähigkeit, sich von starren Unternehmensstrukturen zu lösen, lässt Digitalisierungsfortschritte zu, um auf rasche Veränderungen im Markt zu reagieren und logistische Dienstleistungen standortübergreifend zu skalieren. Digitales Vermögen ist nicht abhängig von der Unternehmensgröße, sondern vom konkreten Geschäftsmodell. Bei der Mitarbeiterrekrutierung tun sich Mittelstandsbetriebe allerdings oft schwerer als Konzernspeditionen. Um digitales Expertenwissen buhlen nicht nur Logistikunternehmen untereinander, sondern auch im Wettbewerb mit anderen Branchen.
Digitalisierung ist kein Prozess, der einmal initiiert wird und einige Zeit später erfolgreich abgeschlossen ist.
Frank Huster
Hauptgeschäftsführer des
DSLV Bundesverband Spedition und Logistik e.V.
Foto: Regina Sablotny
Speditionen haben sich längst von reinen Softwareanwendern hin zu Logistikdienstleistern mit weitgehend digitaler Abwicklung der meisten Geschäftstransaktionen entwickelt. Digitale Dokumente zur schnelleren Übermittlung von Informationen, Smart Contracts zur automatisierten Vertragsabwicklung, Robotik zur fehlerlosen Kommissionierung und Verladung sowie automatisiertes Fahren beschleunigen Prozesse und machen sie effizienter. Teilsegmente des globalen Speditions- und Logistikmarktes sind heute schon Anwendungsbereiche von Hightech und Innovation. Auf EU-Ebene wurden mit der eFTI-Verordnung einheitliche Vorschriften für die elektronische Übermittlung gesetzlich vorgeschriebener Informationen zur Güterbeförderung geschaffen. Kontrollbehörden in den Mitgliedstaaten werden verpflichtet, Frachtinformationen in elektronischer Form zu akzeptieren. Die Initiative, so verspricht es sich die Speditionsbranche, könnte die Abkehr von der immensen Last der Papier- und Zettelwirtschaft bedeuten – sofern staatliche Stellen mitspielen und digitale Belege bei behördlichen Kontrollen auslesen und akzeptieren können.
Die besonderen Stärken des Speditionssektors sind Erfahrungen im Supply Chain Management – also Flexibilität und Wissen. Die Datenbestände, die der globale Gütertransport täglich aggregiert, gelten als Paradebeispiel für die Anwendung selbstlernender Algorithmen zur Effizienzsteigerung, sprich: der künstlichen Intelligenz (KI). Sie kann das Flexibilitäts- und Wissensmanagement der Branche grundlegend verändern. Die fortschreitende Digitalisierung der Speditionsbranche stützt sich deshalb neben dem Internet of Things, Big Data, Blockchain, digitalen Zwillingen, Virtual Reality und Robotik zunehmend auf Anwendungen, die auf KI basieren. Denn wachsende Anforderungen der Logistikkunden an Transparenz, Echtzeitmonitoring und Nachhaltigkeit steigern und verstärken den Rationalisierungsdruck in den Lieferketten.
Zusätzlich vernebeln geopolitische Verwerfungen, instabile Verkehrsinfrastrukturen und Extremwettereignisse den Planungshorizont der weltweiten Logistik. KI fungiert hier als Navigator in der Datenflut der Logistikströme. Algorithmen durchforsten Millionen von Datensätzen, entschlüsseln komplexe Muster und treffen zunehmend präzisere Entscheidungen in Echtzeit. Das Ergebnis: optimierte Routen, effizientere Lagerhaltung und eine punktgenaue Supply Chain. KI übernimmt repetitive Aufgaben und schafft so Freiräume für strategische Entscheidungen.
Erfolgreich digitalisieren setzt auch Data Sharing voraus. Das fehlende Vertrauen in den Schutz eigener Firmenund Kundendaten steht der unternehmensübergreifenden Interoperabilität neben fehlenden Standards und der grundsätzlichen Heterogenität logistischer Prozesse heute noch entgegen.