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Vorsicht Emotionen!

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Die Börse, das ist eine Geschichte von Irrungen und Wirrungen, von Emotionen und Übertreibungen. Und deshalb ist es so wichtig, die Nerven zu bewahren und langfristig zu investieren.

Jessica Schwarzer

Finanzjournalistin

Dieser Sommer an der Börse war nichts für schwache Nerven. Anfang August stürzten die Kurse kräftig ab. Die Angst, ja sogar Panik war groß. Doch das Drama war schnell vorbei. Und auch wenn es sich anders angefühlt hat: Es war noch nicht mal ein Crash. Es war eine Korrektur, mehr nicht, auch wenn in den Schlagzeilen von Crash und Absturz zu lesen war. Schlechte Nachrichten klicken oder verkaufen sich eben besser. Es ist ein Spiel mit der Angst, ein immer wiederkehrendes Spiel, sobald es an den Märkten etwas deutlicher abwärts gehts. Leider lassen sich noch immer zu viele Anlegerinnen und Anleger von Angst und Panik anstecken, ziehen die Reißleine, schmeißen sogar ihre langfristige Strategie über Bord. Das ist eigentlich immer ein Fehler. Denn die Erholung folgt. Mal dauert es länger, mal geht es schneller, bis die Verluste wettgemacht sind. In diesem Sommer dauerte es nur wenige Wochen.

Turbulenzen an den Finanzmärkten sind ganz normal. Trotzdem kochen die Emotionen immer wieder hoch. Wenn Angst und Panik Anlegerinnen und Anleger und auch professionelle Investoren erfassen, dann machen sie Fehler, dann verstärken sie den Abwärtstrend, dann steigt die Volatilität extrem an. So geschehen Anfang August. Und das kostet in der Regel Geld. Denn Investoren handeln dann überstürzt und wenig überlegt. Apropos normale Turbulenzen: Seit 1930 verbucht der amerikanische Aktienmarkt im Schnitt dreimal im Jahr Verluste von mehr als fünf Prozent. Korrekturen von mehr als zehn Prozent kommen durchschnittlich einmal im Jahr vor. Bärenmärkte mit Verlusten von mehr als 20 Prozent gibt es nur im Abstand von drei bis vier Jahren. Hält man den amerikanischen Leitindex S&P 500 aber zehn Jahre lang, sinkt die Wahrscheinlichkeit eines Verlustes auf fünf Prozent.

Leider will solche Statistiken in stürmischen Zeiten niemand hören. Wenn die Emotionen hochkochen, mangelt es an Rationalität. Dabei würde der Blick auf die Statistik doch eigentlich beruhigen. Und überhaupt war der angebliche Crash im August auch gar keiner. Es war „nur“ eine Korrektur. Denn wie auch immer es sich angefühlt hat, wie auch immer man es nun nennt: Am Ende zählen die blanken Zahlen und die sehen gar nicht so erschreckend aus. Gut zehn Prozent ist der S&P 500 abgesackt. Das ist binnen weniger Handelstage natürlich viel, aber es bleibt eine Korrektur. Technologieaktien haben etwa 20 Prozent verloren, das war schon verdammt nah dran am Crash. Doch die Kurse haben sich schnell erholt.

Wer hätte damit gerechnet? Die ängstlichen, gar panischen Marktteilnehmer wohl kaum. Und dann gibt es diejenigen, die sich in stürmischen Zeiten am „Timing“ versuchen. Sie wollen Verluste minimieren, Gewinne ins Trockene bringen, später dann maximieren und so den Markt schlagen. Studien zeigen aber immer wieder, dass genau das so gut wie unmöglich ist. Ich würde sogar soweit gehen, dass es reine Glücksache ist, wenn „Timing“ denn doch funktioniert.

„Time in the Market“, das gute alte „Buy and Hold“ schlägt das „Timing“ um Längen und ist deutlich nervenschonender. Die Fondsgesellschaft Fidelity hat sich das jüngst noch einmal genauer angeschaut, und zwar für die Entwicklung des S&P 500 von 1993 bis 2024.

Das Ergebnis ist mehr als deutlich: Der S&P 500 hat bis zum 2. August dieses Jahres stolze 2161 Prozent zugelegt. Hätten Investoren die besten fünf Tage verpasst, wären es „nur“ 1328 Prozent gewesen. Hätten sie die 30 besten Tage verpasst, wären es sogar nur noch 284 Prozent. Doch wann genau diese Tage sind, das können selbst die bestinformierten Investoren nicht wissen. Genau das macht „Timing“ so schwierig. Dann doch lieber langfristig investieren und schlechte Phasen für Nachkäufe nutzen. Denn – auch das zeigt die Statistik – auf die schlechtesten Tage folgen meist die besten. Die besten Tage an der Börse sind nämlich in der Regel eine Gegenreaktion auf sehr schlechte. Um die besten Tage zu erwischen, muss man also die schlechten ertragen können. Börsenpsychologie pur! Eine gute Strategie mit klaren Regeln, wie wir in turbulenten Phasen reagieren, hilft übrigens ungemein, die Nerven zu bewahren. Und sie hilft, Emotionen wie Angst und Panik, aber auch Gier zu kontrollieren.

BUCHTIPP

Jessica Schwarzer ist eine der renommiertesten Finanzjournalistinnen Deutschlands. Die langjährige Chefkorrespondentin und Börsenexpertin des Handelsblatts (2008 bis 2018) arbeitet heute selbstständig als Journalistin und Moderatorin. Die gebürtige Düsseldorferin hat mehrere Bücher über die Psychologie von Anlegern und Investmentstrategien geschrieben.

Im März 2024 erschien ihr siebtes Buch „Erfolgreich investieren mit den besten Börsenstrategien“ im Börsenbuchverlag.
Die deutsche Aktienkultur ist der leidenschaftlichen Börsianerin eine Herzensangelegenheit, für die sich die Düsseldorferin auch mit Vorträgen und Seminaren engagiert.

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